Die Tabakprävention bei Kindern und Jugendlichen

Die Primärprävention des Rauchens bei Kindern und Jugendlichen ist der Eckpfeiler und zugleich die «Achillesferse» der Tabakkontrollpolitik. Diese Altersgruppe ist für die Tabakindustrie das Territorium, in dem sie «mühelos» frische Beute jagen kann. Die Tabakkonzerne kompensieren damit ein Geschäft, das durch tabakbedingte Todesfälle (weltweit 8 Millionen pro Jahr) oder durch Menschen, die mit dem Rauchen aufgehört haben, rückläufig ist.

von Vincenzo Zagà

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Leider ist die Tabakproblematik höchst komplex, da viele Akteure und Faktoren im Spiel sind, die das Phänomen prägen, beeinflussen und aufrechterhalten. Hinzu kommen heute die Diversifizierung und die Komplexität neuer Nikotinprodukte.

Soziale Variablen spielen neben den individuellen, persönlichen und psychologischen Merkmalen der Menschen eine wichtige Rolle – unabhängig davon, ob es sich um Menschen handelt, die dem Risiko des Rauchens ausgesetzt sind, die selbst rauchen, die mit dem Rauchen aufhören möchten oder die bereits aufgehört haben. Zu den sozialen Variablen gehören unter anderem soziodemografische Merkmale der Rauchenden, ihr familiäres und ausserfamiliäres Umfeld sowie die Gesellschaft, in der sie leben.[1]

Es ist zentral, diese sozialen Variablen in einem ganzheitlichen Kontext zu betrachten. Eine wirksame Bekämpfung des Tabakkonsums erfordert präventive und therapeutische Massnahmen, politische Entscheidungen und Richtlinien sowie Strategien zur Tabakkontrolle. Es handelt sich um ein hochkomplexes System mit Massnahmen auf mehreren Ebenen, die synergetisch und konvergent eingesetzt werden müssen.

Soziale Faktoren – seien es die soziodemografischen Merkmale des Rauchenden, das familiäre und ausserfamiliäre Umfeld oder die Gesellschaft – sind wichtige Elemente, die es bei der Bewältigung der Rauchproblematik zu berücksichtigen gilt. Sie beeinflussen massgeblich den Beginn, die Fortsetzung und die Beendigung des Tabakkonsums. Soziale Faktoren müssen auch bei der Prävention miteinbezogen werden, die von grundlegender Bedeutung ist, da das Rauchen in den meisten Industrieländern die wichtigste vermeidbare Todes- und Krankheitsursache darstellt. Primärpräventionskampagnen sollte höchste Priorität eingeräumt werden – vor allem, wenn sie sich an Teenager und sehr junge Menschen sowie allgemein an benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit niedrigem kulturellem oder sozioökonomischem Hintergrund richten, da diese ein höheres Risiko haben, mit dem Rauchen anzufangen.

Es gibt zahlreiche Interventionen zur Bekämpfung des Tabakkonsums bei Kindern im Schulalter, von denen einige aufgrund ihrer Wirksamkeit besonders interessant sind. Eine in Oxford durchgeführte Studie weist darauf hin, dass «schulbasierte Programme den Vorteil haben, alle Kinder zu berühren und zu erreichen, aber mit umfassenderen Massnahmen kombiniert werden müssen» [2]. Ihre Wirkung wäre in der Tat grösser und effizienter, wenn «die Lehrerpersonen selbst geschult und Nichtraucherinnen und Nichtraucher wären, sich das familiäre Umfeld ebenfalls aktiv für die Bekämpfung des Tabakkonsums einsetzen würde und die Gesellschaft als Ganzes mehr Initiativen ergreifen würde, um das Rauchen sozial inakzeptabel zu machen» [1, 2].

Andererseits sollten Staaten wirksame Massnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums ergreifen, wie zum Beispiel:

(a) Den Zugang zu allen Arten von nikotinhaltigen E-Zigaretten und erhitzten Tabakerzeugnissen – ein Faktor, der den Beginn und die Beibehaltung des Tabakkonsums stark beeinflusst – durch strenge Verbotsgesetze für Minderjährige verhindern. In diesem Zusammenhang ist ein relativ neues Konzept zu erwähnen, das von Gesundheitsfachpersonen und insbesondere von der Bevölkerung mitunter verkannt wird, nämlich dass Nikotin wie eine Einstiegsdroge wirkt. Die Wissenschaftler Erik und Denise Kandel haben mit biologischen und molekularen Beweisen nachgewiesen, was bereits in epidemiologischen und klinischen Studien angedeutet worden war: Bei regelmässigem Konsum wirkt Nikotin in all seinen Formen wie ein «trojanisches Pferd» für alle anderen Drogen.[3] Auch die Kritik am «Gateway-Effekt» wurde aufgegriffen. Es gibt zunehmend Belege dafür, dass E-Zigaretten zum Konsum anderer Tabakprodukte und Nikotin verleiten.[4]

b) die Erhöhung des Zigarettenpreises, die sich als hervorragende Massnahme der primären Tabakprävention erwiesen hat [5, 6];

c) Vollständige Einhaltung von Art. 13 FCTC (Framework Convention on Tobacco Control) [7], insbesondere der Einflussnahme der Big Tobacco über soziale Medien (Websites, Facebook, Instagram, Twitter, TikTok) durch Ad-hoc-Regelungen entgegenwirken;

d) Durchsetzung und Verschärfung der Rechtsvorschriften für rauchfreie Zonen in Schulen und an öffentlichen und privaten Orten, die der Öffentlichkeit zugänglich sind;

e) Programme, deren Wirksamkeit in der Tabakprävention erwiesen sind, flächendeckend auf Schulen ausweiten. Wobei ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, dass die Wirksamkeit mittel- bis langfristig zu erwarten ist, wie es beim Wettbewerb für rauchfreie Schulklassen (SFCC) der Fall ist. Schülerinnen und Schüler benötigen ausreichend Zeit, um zu reifen und ihre Erfahrungen und ihr Wissen über Tabak zu verarbeiten [8, 9].

Damit die Primärprävention nicht die «Achillesferse» der Tabakbekämpfung bleibt, müssen diese Interventionen durch eine Reihe von Massnahmen ergänzt werden, die das Rauchen «sozial inakzeptabel» machen. Nur so kann die Primärprävention ihre volle Wirkung entfalten.